Brücken bauen zu Andersdenkenden in Zeiten von Corona

Teil 1: Ein Riss geht durch die Gesellschaft – was können wir tun?

Was hilft in Bezug auf Entfremdung und Spaltung?

Viellecht hast du es schon mitgekriegt: Das Virus führt zu unangenehmen Nebenwirkungen, auch wenn du selbst gar nicht infiziert bist!

Unsere unterschiedlichen Sichtweisen zu Corona und den Maßnahmen führen zunehmend zu Entfremdung und Spaltung in vielen „Feldern“ – in Gemeinschaften, Freundeskreisen, Familien und eben auch in der „Wandel-Szene“.

In diesem Beitrag (das ist der 1. Teil) möchte ich beleuchten, was uns im Umgang mit „Anders-Denkenden“ helfen könnte. Ich bin neugierig: Wie geht’s dir damit? Was sind deine Strategien und eigenen Grenzen im Kontakt mit Andersdenkenden?

Ich möchte dich herzlich zu konstruktiven Kommentar-Beiträgen und Teilen zusätzlicher Ideen einladen – ich freu mich auf unsere „kollektive Weisheit“!

 

Wie können wir der Entfremdung in unserer Gesellschaft entgegenwirken?

Die Fragen rund um COVID19 und die Maßnahmen bewegen viele – auf mich wirkt das Thema mittlerweile wie eine hoch-emotionalisierte Glaubensfrage, wo sich wirklich die Geister scheiden. Krass sichtbar wurde dies auch zuletzt rund um die „Corona-Demos“ in Berlin: die einen waren begeistert, viele waren schockiert von mangelnder Abgrenzung z.B. gegen Rechtsextreme oder „Reichsbürger“. Es scheinen sich zwei Lager zu bilden:

  • Die einen verunglimpfen Menschen, die besorgt um die eigene Gesundheit oder die von Nahestehenden sind oder die alle Maßnahmen gutheißen, als „Schlafschafe“, die „sich manipulieren lassen“ oder gar „noch nicht so entwickelt“ sind.
  • Die anderen schimpfen auf die „rechten Covidioten mit Aluhut“ oder machen sie als „Pandemie-Pegida“ (Harald Welzer) lächerlich. Dabei werfen sie differenzierte und begründete Kritik mit den wildesten Verschwörungsideologien einfach in einen Topf.

Und so erwächst eine zunehmende Entfremdung, eine Eskalation der Trennung. Dies finde ich wirklich problematisch und insofern ist es mir ein Anliegen, dass wir einerseits die Mechanismen reflektieren und andererseits mithelfen beim “Brücken bauen”, beim De-Eskalieren und beim Herstellen eines „Common Ground“, einer gemeinsamen Basis, auf die man aufbauen kann.

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Warum es wichtig ist, Brücken zu bauen

Wenn du diesen Beitrag liest, dann identifizierst du dich ja vermutlich gar nicht mit den Extrempositionen dieser beiden Seiten (der Psychologe Raphael Bonelli nennt sie „Gesundheitsapostel und Freiheitskämpfer“ – natürlich auch wieder eine Schublade …).

Der Großteil von uns ist einfach verunsichert, überfordert von der Komplexität dieser Entwicklungen und hat ein großes Bedürfnis nach Orientierung. Vielleicht bist du auch einer von diesen Menschen – dann kannst du auch mithelfen beim Brücken bauen.

Ich bin überzeugt: wenn die Stimmen von jeweils Andersdenkenden gehört werden, dann können Entwicklungen und Lösungen möglich werden, die von mehr „Weisheit“ und kollektiver Intelligenz getragen werden.

Dann können wir als Gesellschaft zusammenkommen und unseren Blick auf die anderen grundlegenden Herausforderungen unserer Zeit lenken und gemeinsam neue Lösungen entwickeln.

 

Ähnliche Muster bei beiden Seiten …

Was beide Seiten gemeinsam zu haben scheinen, ist das große Unverständnis für „die andere Seite“ und eine gegenseitige Abwertung und Schubladisierung, basierend auf „absoluten Urteilen“ (dazu weiter unten).

Beide Seiten tendieren zu einfachen Antworten in einer komplexen Gesamtlage und übergehen dabei oft die Anliegen der anderen Seite. Der Mangel an Empathie wirkt dabei wie eine Form von Gewalt eskalierend. Die Herzen und das Denken scheinen sich zu verschließen gegenüber den jeweils anderen.

 

Eine Schlüsselunterscheidung nach Otto Scharmer

Gestern Nacht bin ich munter geworden mit der Erinnerung an den Beitrag von Otto Scharmer zu „neuen Koordinaten für den Wandel“, auf den ich mich vor gut einem Jahr in meinem Blog-Beitrag „Jenseits von Links und Rechts“ bezogen habe.

Er führt dabei die Schlüsselunterscheidung eine „Open Mindset“ und „Closed Mindset“ ein – die sowohl in rechten als auch in linken politischen Gesinnungen zu finden sind, im progressiven und auch im konservativen Milieu.

Mir scheint, diese Pole eines offenen und geschlossenen Denkens werden auch angesichts von Corona deutlich, sie gibt es auch in der “Wandel-Szene” und gerade auch bei Menschen, die sich als spirituell empfinden, bei Künstler*innen, bei zivilgesellschaftlich engagierten – quer durch.

Können wir die Komplexität aushalten, ohne gleich zu einfachen Erklärungen und Urteilen überzugehen? Können wir einander wertschätzend und mit einer fragenden Haltung begegnen, wo wir nicht im Vorhinein durch unsere absoluten Urteile ein „closed mind“ haben?

 

„Absolute Urteile machen es unmöglich, in Beziehung zu treten“

Das sagt Vivian Dittmar in einem spannenden Video-Ausschnitt vom Summit 2019, den ich zum Thema gefunden habe und herausgeschnitten habe:

The mind is like a parachute, it doesn’t work if it’s not open. – Franz Zappa

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„Solange ich der Meinung bin, dass MEINES absolut richtig ist, … erzeuge ich eine Wut, die zerstörerisch ist.“

 

Wie können wir Andersdenkenden mit Offenheit und Neugier begegnen?

„Wir sind gefordert, in uns aufzuräumen, vor der eigenen Türe zu kehren und unsere Haltung zu reflektieren“, sagt Vivian. Es ist wichtig, unserer eigenen Absolutheitsansprüche gewahr zu werden, zu erkennen, wo wir selbst ein „closed mind“ haben.

Forsche mal bei dir nach, ob du so etwas in der Art in dir trägst: „Ich bin reflektiert und die anderen sind verblendet“. „Ich bin die gute Öko-Aktivistin – und die anderen (Konzerne, Politiker*innen, …) sind böse“. „Ich habe mich informiert bei den richtigen Quellen, die anderen lassen sich manipulieren.“. Oder was sind ähnliche Sätze, die in dir wirken? Mal ehrlich?

Nun ergeben sich daraus wichtige Fragen, wie zum Beispiel:

  • Wie kann ich meine eigenen Urteile über andere Menschen und Gruppen transformieren?
  • Wie kann ich mit Andersdenkenden einen „Common Ground“ finden, auf dessen Basis ich trotz unterschiedlicher Sichtweisen in Verbindung gehen kann?
  • Was sind die Grenzen im Kontakt mit Andersdenkenden – wo will ich mich mit einer klaren Abgrenzung positionieren?

Darum wird es im zweiten Teil dieses Beitrags gehen – nächste Woche.

Was denkst du dazu?

Ich freu mich sehr über deine Impulse dazu. Bitte hinterlasse sie unterhalb in einem Kommentar!

Martin Kirchner ist Mitgründer der Pioneers of Change in Österreich

Die Kommentare zum Blog-Beitrag “Brücken Bauen” spiegeln ein breites Spektrum an Lebensrealitäten wider. Manche sorgen sich um die Spaltung der Gesellschaft oder den Abbruch von Freundschaften, erzählen von der täglichen Heraus- oder Überforderung des “Brücken bauens”. Andere ziehen klare Grenzen, wann eine Brücke nicht gebaut werden sollte, und fragen, ob es überhaupt immer einen “Common Ground” geben muss. Unter den Kommentar-Schreibern finden sich Befürworterinnen wie auch Kritikern der politischen Maßnahmen rund um Corona, Naturwissenschaftlerinnen, “Verschwörungstheoretikern”, und Menschen der Risikogruppe.

Das freut uns. Und zeigt uns, dass es uns im Blogbeitrag teilweise gelungen ist, einen “Common Ground” zu finden.

(Nur, was ist dieser “Common Ground”? Sensibilität für die Polarisierung bzw. Radikalisierung der Gesellschaft, Wunsch nach selbstständiger, kritischer Meinungsfindung, Wunsch nach Ambiguitätstoleranz?).

Hast du übrigens den Videoausschnitt mit Vivian Dittmar zu “Absolute Urteile” angesehen? Ist echt stark! Klicke hier (5 min Video).

Christian: Als Naturwissenschaftler gibt es – außer täglich dazuzulernen – nichts daran zu diskutieren, dass der Corona-Virus eine Tatsache ist, die den Gesetzen der Natur und der Mathematik folgt. Es gibt keine “Mitte” bei der Frage “Beachtung oder Leugnung der Naturgesetze”. Die Naturgesetze müssen der “Common Ground” sein. Da gibt es aus meiner Sicht keine Möglichkeit des “Entgegenkommens”.

Cristina: Wenn ein Mensch oder wir selbst uns auf eine Position versteifen und eine bestimmte Gegenmeinung Partout nicht annehmen wollen, dann lass uns die Frage stellen: Was wollen wir damit vermeiden?

Elisabeth: “Ich habe noch nicht Stellung bezogen. Und vielleicht ist das auch gut so.” Sie hat mit Menschen “beider Seiten” gesprochen und konnte beide Seiten voll nachvollziehen. Deswegen fühlt sie sich jetzt “in der Mitte”; das war erst unangenehm, aber nach dem Blogbeitrag ist es vielleicht sogar gut.

Frauke: “Ich habe mich auf ganz unterschiedliche Meinungen zu Corona eingelassen und nachgespürt, was sie mit mir machen. Manche lähmen mich, andere geben mir Lebensfreude.”

Sascha: In den “Corona-Zwischenräumen” fühle ich in die Unsicherheit / Ohnmacht / Wut hinein und verorte sie körperlich.
Sylke: Ich übe das “Brücken bauen” jeden Tag!
Bianca: Beide “Corona-Fraktionen” wollen eigentlich dasselbe: Ihr eigenes Sein in der Welt zum Guten einsetzen.
Heike: Ich sorge mich darum, dass im Kleinen Freundschaften oder im Großen unsere Gesellschaft sich weiter spaltet.
Sabine: Muss es denn immer einen “Common Ground” geben?
Julia: Beim “Brücken bauen” tue ich mir schwer, es überfordert mich!
Cornelia: Ich möchte politisch verantwortungsvoll sein und mir kritisch eine Meinung bilden, und mein Sohn bezeichnete mich als “Verschwörungstheoretikerin”.
Joos: Ich kann meine Denkfähigkeit für eine Zeit dem Gegenüber schenken, auch wenn er ganz anders denkt, er kann ’spielen auf dem Klavier meines Denkens. Es beginnt mit den inneren Ort wo wir uns in dem Dialog befinden.
Pea: Nur wenn ich innerlich in Frieden bin, kann ich hören und verstehen, worum es meinen Mitmenschen geht.
Isi: Eine Welt mit Menschen ohne Gesichtern – es fällt mir entsetzlich schwer, das alles auszuhalten.

Melanie beschäftigen einige Fragen, zum Beispiel: Wie kann ich Brücken bauen, ohne mir selbst untreu zu werden? Wie kann ich damit umgehen, mit meiner Meinung einer (scheinbaren) Minderheit anzugehören?

Gesammelt v.a. von Christoph Peterseil – danke!

PS: NEU – Du kannst einzelne Kommentare auf der Seite jetzt auch LIKEN und dann alle danach sortieren.